Unter dem sperrigen Begriff der Primärversorgungseinheit versteckt sich das Hausarztmodell der Zukunft. Primärversorgungseinheiten sind Zusammenschlüsse von niedergelassenen Ärzten für Allgemeinmedizin in Form eines Zentrums oder in Form eines Netzwerks. In der Zentrumsvariante schließen sich mehrere Ärzte für Allgemeinmedizin (meist in Form einer Gruppenpraxis) an einem Standort zusammen, um dem Patienten – in Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen – eine qualitativ und quantitativ umfangreichere Behandlung bieten zu können. Im Primärversorgungsnetzwerk dagegen schließen sich mehrere niedergelassene Ärzte für Allgemeinmedizin zum selben Zweck disloziert zu einem Versorgungsnetzwerk zusammen. Jeder Arzt für Allgemeinmedizin im Netzwerk betreibt weiterhin eine niedergelassene Ordination, durch die Vernetzung kann das Betreuungsangebot ausgedehnt werden.
Einer der wesentlichen Ziele der PVE ist die Entlastung der Spitalsambulanzen durch Verlagerung der Patientenströme in den niedergelassenen Bereich.
Die Primärversorgung in Zeiten des Corona-Virus
Gerade die Corona Krise hat dem österreichischen Gesundheitssystem wieder einmal deutlich die Verwundbarkeit vor Augen geführt.
Zwar wurde die Diskussion primär um die Frage der Intensivbetten – und deren möglicher Überlastung – geführt, im Diskurs vergessen wurden dabei aber die Probleme in der Versorgung der nicht intensiven Fälle im niedergelassenen Bereich.
Unzureichende Ausstattung
Die einzelnen niedergelassenen Hausärzte sind mit ihren Möglichkeiten relativ rasch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gelangt. Mehrere Gründe können dafür angeführt werden: So sind viele Einzelordinationen räumlich gar nicht in der Lage, die erforderlichen Abstandsvorschriften in den Wartebereichen einzuhalten. Auch war die nötigen Schutzausrüstung nicht ausreichend vorhanden. Im Fall von Verdachtsfällen bei einem niedergelassenen Arzt selbst oder dem in den Ordinationen angestellten, nicht ärztlichen Gesundheitspersonal konnten Ordinationen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten. Gerade in (meist ländlichen) Gegenden, wo die Anzahl der Hausärzte von Grund auf bereits ausgedünnt ist, fällt in einem solchen Szenario die Erstanlaufstelle für den Patienten aus.
Die Primärversorgungseinheit als krisensicheres Zentrum
Gerade aus diesen Überlegungen bleibt der Gesundheitspolitik in Zukunft gar nichts anderes übrig, als die Primärversorgung zu stärken. Stattet man Primärversorgungseinheiten insbesondere finanziell sinnvoll aus und stärkt diese mit der entsprechenden Infrastruktur, so könnten diese nicht nur Spitalsambulanzen auch in Extremfällen wie der Corona Krise entlasten, die Primärversorgungseinheiten könnten auch eine im Epidemie- oder Pandemiefall rasch ausgeschaltete hausärztliche Versorgung als Erstanlaufstelle aufrechterhalten. Eine Primärversorgungseinheit als Zentrum könnte etwa auf Grund größerer räumlicher Kapazitäten entsprechend abgetrennten Räumlichkeiten für infizierte Patienten schaffen. Durch die größere Anzahl an Ärzten und anderen Gesundheitsberufen wäre ein Ausfall etwa im Verdachtsfall einer Ansteckung leichter zu kompensieren. Auch die Ausrüstung mit Schutzausrüstung und sonstiger Infrastruktur (bis hin zum Einsatz in der Testung) könnte so geschaffen werden.
Aus jeder Krise lassen sich Lehren ziehen, im Fall der Corona Krise muss dies die Stärkung der Primärversorgungseinheiten sein.